Die Tradition der Ley Hunter

Die Tradition der Ley Hunter

Auf der Suche nach mysteriösen Liniensystemen in der Landschaft

Erstmalig erschienen in der Zeitschrift „erde • mensch • raum“ Ausgabe 1/2023

1921 soll Alfred Watkins aus Herefordshire, England eine örtliche Karte von Blackwardine studiert haben, als er entdeckte, dass eine Reihe von prähistorischen und antiken Stätten in der Gegend linear aufeinander ausgerichtet schienen.

Weitere Feld- und Kartenarbeiten überzeugten ihn, dass dieses entdeckte Muster tatsächlich real war. Watkins kam zu dem Schluss, dass er die überlieferten Spuren alter gerader Pfade sah, die in der neolithischen Ära angelegt wurden, vermutlich für Handelsrouten. Seine Theorie war, dass die Pfade in den späteren Bronze- und Eisenzeitaltern außer Gebrauch geraten waren. Er veröffentlichte diese Theorien in zwei Büchern und nannte diese geraden Ausrichtungen Leys. (Anm. der Begriff „Leyline“ kam erst sehr viel später auf.)

Die Ley als alter gerader Weg

Der Begriff „Ley" umfasste Stätten wie prähistorische Menhire und Steinkreise, Hügelgräber und Hügel, alte Gräben, Kirchen und Kreuzwege, Flussüberquerungen, Fragmente alter gerader Wege und markante Hügelkuppen. Das Wort „Ley" ist ein angelsächsisches Wort, das „freigeräumter Streifen Boden" oder „Wiese“, „Lichtung“ bedeutet. Eine genaue Untersuchung von Watkins' Leys zeigt, dass er eine Vielzahl verschiedener Arten von Alignements wahrnahm. Eine kleine Anzahl waren einfache Ausrichtungen prähistorischer Stätten, aber viele waren das, was wir heute als „Kirchenlinien" bezeichnen würden (übrigens ein Phänomen, das hierzulande von Archäologen viel eher anerkannt wird), also „Leichenwege", „Totenwege“, "Kirchenwege" und "Sargwege".

Die Reaktion auf Watkins' Buch „The Old Straight Track" (Der Alte Gerade Weg) war geteilt. Viele dachten, er habe ein längst vergessenes Geheimnis in der Landschaft entdeckt, und es gründete sich der Straight Track Club, um weitere „Ley-Huntings" zu betreiben. Die konventionelle Archäologie lehnte die Idee jedoch entschieden ab und hat sie in großen Teilen bis heute nicht akzeptiert.

Die Earth-Mysteries-Bewegung

In den 1960er Jahren stellte ein ehemaliger RAF-Pilot, Tony Wedd, eine Verbindung zwischen den linearen Ausrichtungen von UFO-Sichtungen in Frankreich und Alfred Watkins‘ Leys her. Er machte einen großen Eindruck auf zwei junge britische Männer, Philip Heselton und Jimmy Goddard, die den mittlerweile eingestellten Straight Track Club in Form des neuen Ley Hunter's Club wiederbelebten und ein Magazin namens „The Ley Hunter" gründeten. Innerhalb von zehn Jahren entwickelte sich dieses neu entfachte Interesse an Leys zu einem großen Netzwerk von miteinander verbundenen Forschungen, welche als „Earth Mysteries“ ("Erdmysterien“) bekannt wurde und bis heute eine große Szene in Großbritannien darstellt.

Was die (akademische) Forschung in die Ley-Hypothese erschwerte, war die aufkommende Idee von „Energielinien". Die Vorstellung, dass Leylinien aus ätherischer Energie bestehen könnten, die alte Stätten kosmischer Kraft miteinander verbinden, stammt ursprünglich aus einem Roman von Dion Fortune aus den 1930er Jahren. Diese Vorstellung gewannen in den späten 1960er Jahren an Nährboden, zweifellos befeuert durch die aufgekommene Sehnsucht nach Spiritualität und Sinnhaftigkeit, die sich in einer Gegenkulturbewegung, in der Kunst, der Hinwendung zur östlichen Mystik und dem Vegetarismus manifestierte. Ein Meilenstein in diese Zeit war John Michells Buch „The View over Atlantis" (Die Geomantie von Atlantis), das viele der aktuellen Ideen zu Leys, Folklore, Mythologie und Landschaft miteinander verband und noch heute ein Grundlagenwerk der heutigen Geomantie darstellt.

Die Verbindung von Wissenschaft und Spiritualität

Ende der 1970er Jahre initiierte Paul Devereux, damals Herausgeber von "The Ley Hunter", das Dragon Project, eine ehrenamtliche Initiative, die ins Leben gerufen wurde, um zu untersuchen, ob an den Behauptungen von Rutengängern und Hellsehern etwas dran war, dass alte Stätten die Quelle spiritueller Energien seien. Zu diesem Zweck schlugen sie ihr Basislager am Rollright-Steinkreis in Oxfordshire auf und setzten allerlei wissenschaftliche Geräte, Fotografen, Rutengänger, Medien und feinfühlige Menschen ein, um die subtile "Erdenergie" aufzuspüren. Nach fast zehn Jahren harter Arbeit unter oft unangenehmen Bedingungen kam das Dragon Project zu dem Schluss, dass an diesen Orten keine seltsamen Energien nachgewiesen werden konnten, aber es gab Anomalien mit den technischen Gerätschaften, die nicht erklärbar waren. 

Während dieser Zeit wurden viele neue Alignments aus der ganzen Welt den Ley-Huntern bekannt. Die Pfade der amerikanischen Ureinwohner in den Sierra-Regionen Kaliforniens. Die bolivischen Linien, die mit späteren christlichen Schreinen und Kirchen markiert waren. Die schnurgeraden Pfade der Anasazi, und viele mehr. Watkins schien auf der Spur eines realen Phänomens gewesen zu sein, welches sich fast überall auf der Welt auffinden lässt. Es scheint, dass frühere Völker glaubten, dass gerade Landschaftslinien die Wanderung von Geistern erleichtern würden. Forschungen von Paul Devereux und Nigel Pennick haben enthüllt, dass die Alignments aus einer ursprünglich magischen Weltsicht heraus entstanden sind. 

Leys, alte gerade Pfade und andere Alignments enthüllen ein tiefes Mysterium, das sowohl in der menschlichen Psyche als auch in der Landschaft verankert ist. Aktuelle Forschungen der Ley Hunter rund um den Globus liefern immer mehr Beispiele für lineare Wege, Straßen, Pfade und mythologische Routen, die mit den Toten, Geistern der Verstorbenen und Geistreisen verbunden sind. 

Die Society of Ley Hunters

Nachdem das britische Magazin „The Ley Hunter“ seit 1962 erfolgreich lief, endete die Publikation gegen Ende der 90er Jahre. Doch es dauerte nicht lange da gründeten mehrere Abonnenten des „Ley Hunter“ ihren eigenen Verband. So wurde 1999 die Society of Ley Hunters ins Leben gerufen. Viermal im Jahr erscheint seitdem für die Mitglieder der Society of Ley Hunters Newsletter, ein gedrucktes Magazin welches neue Theorien, Forschungen und weitere Themen rund um die Earth-Mysteries-Bewegung in Artikeln publiziert. Außerdem werden zwei Mal im Jahr Treffen für die Mitglieder und Interessierte organisiert, immer an einem anderen spannenden Ort.

Obwohl die Mitglieder der Society teilweise unterschiedliche Ansichten darüber haben, was eine Ley ist, werden alle Sichtweisen akzeptiert. Die Society freut sich auch über das Mitwirken von Interessenten aus dem deutschsprachigen Raum. Für 15 Britische Pfund im Jahr (etwa 18-19 €) erhält man den Newsletter regelmäßig zugeschickt. Anmelden kann man sich über die Homepage.

The Society of Ley Hunters
7 Mildmay Road, Romford, RM7 7DA. UK.
http://www.leyhunters.co.uk
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Pascal Zielke